Samstag, 3. Dezember 2016

Alles aus Liebe

Wenn ich nicht mehr weiß, wohin mit der Liebe für Jo, dann nähe ich. Hier ein kleiner Stapel mit Hosen

Heute geht es mal um nichts Genähtes, irgendwie aber doch ums Nähen. Ich liebe meinen Beruf – und möchte nichts anderes machen als Journalistin zu sein. Doch dann gibt es diese Tage, an denen Nachrichten auf meinem Bildschirm erscheinen, vor denen ich im Privaten lieber die Augen verschließe.
Meldungen, bei denen ich auf der TV-Fernbedienung den Umschaltknopf suche, die ich in der Zeitung einfach überblättere oder bei denen ich im Radio den Sender wechsle. Früher war ich da nicht so. Aber da war Jo auch nicht da.
Es sind Meldungen, wie die vom Vater, der erst seine Kinder ertränkt und sich dann vom Hochhaus stürzt oder Rechercheaufträge wie der, bei dem ich die schlimmsten Fälle von Kindesmisshandlungen der letzten Jahre zusammenstellen muss. Zum Glück ist das für mich nicht Alltag. Ich arbeite in einer Redaktion, von der niemand Sensationsjournalismus erwartet und als Politikredakteurin komme ich nicht ständig mit diesen Themen in Kontakt. Und wenn doch? Dann bearbeite ich die Texte so professionell wie ich das mit allen Nachrichten tue.
Aber an diesen Tagen bin ich froh, wenn der Dienst zu Ende geht, wenn meine Texte Korrektur gelesen sind und ich meine Herzchenbutterbrotdose in die Tasche packen kann.
Normalerweise genieße ich die Fahrt mit der Bahn nach Hause, lese noch ein Buch oder blogge von unterwegs. Doch nach einem Tag mit schlechten Nachrichten will ich nur schnell Zuhause sein. Jo sieht mich immer ganz irritiert an, wenn ich durch die Haustür reinstürme und nicht mit aller Geduld darauf warte, dass er angekrabbelt (oder inzwischen schon oft gelaufen) kommt, sondern die Schuhe schnell in die Ecke stelle und ihn an Ort und Stelle auf den Arm nehme und ganz fest drücke.
Er hat wie sicher die meisten Kinder ein sehr feines Gespür dafür, wenn etwas anders ist. Und so sind diese Abende dann immer ein bisschen friedlicher und weniger wild als üblich.
Und sie enden damit, dass ich einfach an die Nähmaschine muss...
Ich bin keine besonders rührige Mutter. Jo wird vermutlich nie zu Herzen ausgestochene Käsestücke in seiner Butterbrotdose finden. Und ich werde wohl auch nicht zu Tränen gerührt sein, wenn er bei seinem ersten Theaterstück einen Baum spielt. Ich werde natürlich stolz auf ihn sein. So wie ich bei jedem seiner Entwicklungsschritte unglaublich stolz bin.
Aber andere Mütter haben andere Ventile. Ich habe das Nähen. Und so entsteht (nicht nur, aber immer) dann, wenn ich nicht mehr weiß, wohin mit der Liebe für mein Kind, eine neue Idee für ein Kleidungsstück.

3 Kommentare:

  1. Das was Du schreibst, kommt mir sehr bekannt vor.
    Vor zwei Wochen habe ich einen Tatort zum Thema "Kindstötung" gesehen und Rotz und Wasser dabei geheult - das wäre mir früher so auch nicht passiert. Als Mutter mut(t)iert man irgendwie ;-) , bei Käseherzchen hört der Spaß dann aber auch auf :-).

    Besonders schlimm und beunruhigend finde ich die momentane politische Entwicklung zum rechten Lager hin. Ich hoffe wirklich, dass unsere Kinder noch in Frieden aufwachsen dürfen.

    Viele Grüße
    Janine

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